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Was sagen eigentlich die Eltern zu Albanien?

"Ausgerechnet Albanien!"

Albanien ist ein faszinierendes Land – charmant, ursprünglich und herzlich. Es ist nicht die Liebe auf den ersten Blick, aber dafür eine tiefe, ehrliche Zuneigung.

 

„Ausgerechnet Albanien!“ – das war oft die Reaktion nach Bekanntgabe unserer Reiseroute – eine Mischung aus Unwissenheit, Angst, Vorurteilen und Unverständnis.

 

Dabei gilt das kleine Westbalkanland als eines der sichersten Reiseziele Europas. So viel zur Statistik, aus der gewiss die Sicherheitslage in Lazarat ausgeklammert ist. Vor diesem Ort warnte uns ein 80jähriger Kanadier in Griechenland, der um uns sehr besorgt war. Nach Google-Recherche wussten wir auch warum und mieden die Durchfahrt durch dieses besondere Bergdorf Albaniens. (Wikipedia lehrte uns Folgendes: Lazarat galt lange als Zentrum des Cannabisanbaus in Albanien. Die italienische Guardia di Finanza erkundete 2013 die Anbauflächen aus der Luft. Sie schätzte, dass die Anbaufläche über 300 Hektar betrug und pro Jahr mehr als 1000 Tonnen Cannabis im Wert von 4,5 Milliarden Euro produziert worden seien, was fast der Hälfte des albanischen Bruttoinlandsprodukts entspräche. Das Dorf Lazarat entzog sich der Kontrolle der albanischen Behörden, seit 2004 der Polizeiposten zerstört worden ist. Sicherheitskräfte stießen jeweils auf bewaffneten Widerstand, und Drogenbanden kontrollierten die Zufahrten zum Ort). Ein dezenter Haschischgeruch begleitete uns während unserer gesamten Reise durch Albanien, das kann aber auch nur Einbildung gewesen sein.

 

In keinem unserer geplanten Reiseziele wird das Leben vermutlich so anders sein als bei uns zu Hause. Und nirgends werden wir wahrscheinlich so weit entfernt sein von (Massen-) Tourismus und Perfektion. Albanien hat sich uns so gezeigt, wie es ist – ungeschminkt und unverfälscht.

 

Dazu gehört zum Beispiel, dass sich an schönsten Strandabschnitten der albanischen Riviera weiterhin die zur Zeit der 40-jährigen Isolation gebauten Bunker befinden, die sich auch sonst überall im Land finden lassen.  Der Diktator Enver Hoxha ließ in den 70er und 80er Jahren schätzungsweise 350 000 Verteidigungsobjekte anfertigen –  aus Angst vor einer Invasion. Heute sind sie hauptsächlich ein Ärgernis für die Landwirte und Eigentümer der Grundstücke und immer wieder ein beliebtes Objekt für fotografierende Touristen (wie uns!). (Lustigste Bunkergeschichte, die uns zu Ohren gekommen ist: Ein Großteil der albanischen Mädchen verliert heutzutage bei Einbruch der Dunkelheit seine Unschuld in dieser romantischen Umgebung.)

 

 

Auch blieb uns die Armut vieler Albaner nicht unentdeckt und regte uns zum Nachdenken an. Nirgendwo sonst in Europa ist der Gegensatz zwischen Arm und Reich so sehr ausgeprägt und auffällig. Kinder durchsuchen die Müllberge, die sich ebenfalls an jeder Straßenecke finden lassen, auf der Suche nach Essen oder Dingen, die sie weiterverkaufen können. Ganze Großfamilien leben in Wellblechbaracken am Rande der größeren Städte, wie man sie sonst aus Europa nicht kennt. Viele Menschen sind auf das Betteln angewiesen und freuen sich über Mitgebrachtes aus dem Supermarkt. Sehr beschäftigt hat unsere Kinder ein Mann ohne Beine, der mitten auf der Stadtautobahn nach Tirana saß und die Autos ausgebremst hat, um für sein Überleben zu sorgen – grotesk!

In den Dörfern leben (vor allem die alten Menschen) noch immer ohne Strom und fließendes  Wasser als Selbstversorger im Einklang und der Abhängigkeit von der Natur und den Tieren. Alte Bauern sieht man mit ihrer oft einzigen Kuh spazieren gehen, ein Esel trägt die Lasten, ein Pferd zieht das Fuhrwerk und die Jungen treiben die Schaf- und Ziegenherden auf die Berge.

Umso mehr verwundert einem der Anblick vieler ausgesprochen teurer, absolut neuwertiger Autos sowie die sehr auffällig vielen Mercedes-Modelle, die teilweise schon von Kindern gefahren werden (und teilweise auch noch deutsche Kennzeichen mit abgekratzter Zulassungs- und abgelaufener TÜV-Plakette schmücken).

Am meisten überraschte uns das auch deshalb, weil wir bisher in keinem anderen Land so viel Polizeipräsenz und Straßenkontrollen erlebt haben wie in Albanien.

Am spannendsten und interessantesten zeigte sich uns das Land aber immer dann, wenn wir Kontakt zu Einheimischen hatten – das geht in Albanien sehr schnell und sehr unkompliziert. In jedem noch so kleinen Lädchen wurde uns Lotta aus den Armen gerissen, herumgetragen, geküsst, stolz den übrigen Familienmitgliedern gezeigt und anschließend natürlich auch in Form von Bananen, Keksen, Bonbons oder Ähnlichem beschenkt ( und das nicht nur von Müttern und Omas, sondern auch von alten und jungen Männern und Kindern allen Alters).

Viele Kinder in Albanien sprechen erstaunlich gut englisch oder deutsch, nicht wenige haben auch schon einmal in Deutschland gelebt oder haben zumindest Verwandte, die in Deutschland leben.

Einen unvergesslichen Samstagnachmittag verbrachten wir mit etwa 100 Dorfjugendlichen an einer alten Steinbogenbrücke am Fluss zum Baden. Die Jungs waren etwa zwischen 9 und 25 Jahre alt (Mädchen bleiben in Albanien immer noch zu Hause) und fanden unseren Besuch nicht etwa störend, sondern haben sich über dies Abwechslung gefreut. Sie suchten interessiert das Gespräch mit uns, küssten und alberten mit Lotta und Frida, kümmerten sich in der Strömung des Flusses besorgt um unsere Jungs und freuten sich gemischt mit Stolz, dass wir in ihrem schönen Land Urlaub machen.

Ein Junge zeigte uns den Fußweg zum Supermarkt, verweigerte zum Dank aber rigoros ein Eis oder ein kaltes Getränk.

Die einzige Negativerfahrung machten wir am Tag unserer Ankunft mit einer Gruppe schwererziehbarer  Jugendlicher auf der Farm im Süden Albaniens. Die Kinder spielten und streunerten auf dem Gelände herum, als Mattis plötzlich bitterlich weinend zu uns eilt. Ein Jugendlicher hatte ihn wohl gepackt und geschlagen, wie uns Frida aufgeregt berichten konnte, warum und wieso werden wir nie erfahren. Die Konfrontation mit den Jugendlichen und ihren Betreuern wurde schnell unangenehm und wirkte auf uns verunsichernd, wenn nicht sogar bedrohlich. Wir nahmen die Kinder und flüchteten aus der Situation. Dennoch blieb ein mulmiges Gefühl ausgerechnet am Tag unserer Ankunft.

Am Abend versicherte mir Michel, dass wir diese Jungs, die in Bussen abgereist waren, nie wieder sehen werden und versuchte mich zu beruhigen. Es gelang ihm nur bedingt, die erste albanische Nacht war kurz und unruhig.

Und am nächsten Vormittag war ein Teil der Gruppe wieder da – sie machten eine Fahrradtour und einer ihrer Betreuer hatte eine Panne. Dankbar nahmen sie unsere Hilfe in Anspruch. Wie sich im Gespräch herausstelle, handelte es sich bei der Gruppierung um eine amerikanische, protestantische Organisation, die sich tatsächlich um schwererziehbare Jugendliche kümmert. Eine Einladung in ihr Bootcamp lehnten wir dankend ab.

 

Überall erkennt man, dass sich Albanien in einer rasanten Entwicklungsphase befindet – und trotzdem hat es sich bisher seine Tradition und Ursprünglichkeit bewahrt. 


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Kommentare: 9
  • #1

    Steffi und Co (Montag, 14 Mai 2018 15:24)

    Echt super schöne Bilder. Schön das es euch allen so gut geht :) Noch viel spass auf eurer
    Reise gespannt auf den nächsten Block. Überfahrt keine Schildkröte:)

  • #2

    Oma Ela (Dienstag, 15 Mai 2018 20:50)

    Tolle Bilder. Lasst es euch gut gehen �

  • #3

    Opa Georg (Schorsch) (Dienstag, 15 Mai 2018 21:37)

    https://mediandr-a.akamaihd.net/progressive/2018/0512/TV-20180512-2214-1100.hq.mp4

    Grüße aus Weisenau!!!

  • #4

    Opa Georg (Schorsch) (Dienstag, 15 Mai 2018 21:39)

    Gebt mir Bescheid, ob ihr den Link öffnen konntet!!!

  • #5

    Claudi (Mittwoch, 16 Mai 2018 21:37)

    Interessant, was ihr über Albanien schreibt. Gut, dass ihr überall geschützt wart und viel Schönes erlebt hat. Ist auf jeden Fall gut, mitzuerleben, dass es Menschen gibt, denen es materiell nicht so gut geht und die trotzdem zufrieden sind. Bin erinnert an eine Reise nach Rumänien vor vielen Jahren. Wünsche euch weiterhin eine schöne Zeit mit vielen lehrreichen Eindrücken und Erfahrungen. Schutz über euch und Bewahrung. Gruß Claudi ❤

  • #6

    SusiBarth* (Donnerstag, 17 Mai 2018 10:41)

    Hallo ihr Lieben,
    gespannt verfolgen wir eure Berichte! Euch ist ein wunderbarer Artikel gelungen, der einem das Gefühl gibt, fast mit dabei zu sein... passt weiterhin schön auf euch auf und glaubt vertrauenserweckenden Reisebekanntschaften! Feste Umarmung nach Montenegro

  • #7

    opa jaco (Donnerstag, 17 Mai 2018 18:35)

    ihr müsst heute relegation tippen wenn der schwejk hinter euch bleiben soll,das spiel wird sicher in albaninen übertragen aber da werdet ihr sicher weit ab vom schuss sein.bleibt gesund und habt viele positive erlebnisse,noch25 tage! opa jaco

  • #8

    Nadine (Freitag, 18 Mai 2018 21:01)

    Ein Waaaaaahhhnsinns Bericht. Woww!!! Trotzdem danke, das ihr das alles erst nachträglich berichtet habt.... �

  • #9

    Irma Hofbauer (Sonntag, 20 Mai 2018 17:16)


    Es macht so viel Spaß eure Blogs zu lesen und die tollen Bilder dazu sind einfach fantastisch. Sie zeigen so viel - in jeder Beziehung! Ich bewundere nach wie vor euren Mut zu dieser Auszeit und wünsche der ganzen Familie weiterhin viel Freude, aber passt gut auf euch auf.